Psssst, es hat niemand gesehen!
DIE Grundlage einer jeden Sicherheitskultur und was passiert eigentlich, wenn es doch jemand gesehen hat.
Wer kennt sie nicht, die unzähligen Macken in der Endleiste, das eingerissene Haubenfenster, Dellen in der Beplankung – all die kleinen Schäden, die bei Ein- und Ausräumen passieren. Einfach so, plötzlich waren sie da, niemand kann sich erinnern. Meist sind es nur Schönheitsfehler, aber eine verschwiegene harte Landung z.B. kann schon gravierende Konsequenzen nach sich ziehen!
In der Luftfahrt ist jede Regel, die wir haben, alles, was wir wissen, jedes Verfahren, das wir anwenden, bekannt, weil jemand, oder oft viele Menschen, gestorben sind. Wir haben wichtige Sicherheitslektionen gelernt, die mit hohen Kosten, manchmal buchstäblich mit Blut erkauft wurden. Wir haben die Pflicht, diese Lektionen nicht zu vergessen und sie neu zu lernen (Cpt Chesley Sullenberger)
Zugegeben, das sind harte Beispiele und Worte. Sie bilden das Extrem, also die Spitze des Eisberges. Rein statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass uns so ein Extrem in unserem Pilotenleben begegnen wird.
Aber wir wissen auch, dass auf dieses eine Extremereignis tausende Fehler kommen.
Und mal Hand aufs Herz. Es ist uns doch allen schon mal so gegangen, dass wir den Weg des geringsten Widerstands gewählt und ein Vorkommnis oder einen Fehler unter den Teppich gekehrt haben. Frei nach dem Motto, es ist ja gar nichts passiert.
Dieses Verhalten ist in gewisser Hinsicht menschlich. Wir stellen uns nicht so gern unseren vermeintlichen Schwächen. Vielleicht finden wir es manchmal selbst peinlich, dass uns so ein Fehler passiert ist, und verbergen es daher auch aus Scham.
Zugegeben, es ist ja auch nicht leicht über die eigenen Fehlbarkeiten zu sprechen, viel schöner es ist unsere tollen Erlebnisse zu teilen.
Alles verständlich, alles nachvollziehbar. Aber….und diesem Aber sollten wir uns stellen. Wir bewegen uns in einem Umfeld, wo Fehler fatale Konsequenzen haben können. Für uns selbst, für unsere Mitflieger, für unbeteiligte Dritte und nicht zuletzt auch für unsere Liebsten.
In einem der letzten Artikel haben wir bereits das Eisbergprinzip beleuchtet. Dabei geht es auch darum, dass wir eine Vielzahl unserer Fehler gar nicht bemerken.
Wenn wir selbst für uns dieses Bewusstsein entwickelt haben und mit wachsamen Sinnen unserem Hobby nachgehen kommt die nächste Erkenntnis:
Das oberste Ziel ist, die sogenannten „Unknown Unkowns“ (wir wissen nicht, was wir (noch) nicht wissen) also die blinden Flecken zu reduzieren. Dinge von denen wir wissen, sie aber einfach noch nicht kennen, können wir erlernen oder erarbeiten. Die Gefahr geht von den Dingen und Risiken aus, von denen wir nicht mal wissen, dass wir sie nicht wissen. Je mehr wir wissen, je mehr wir schon mal gehört und gesehen haben, desto vorbereiteter sind wir selbst und können somit auch besser auf Unvorbereitetes reagieren.
Das ist ein entscheidender Schlüssel zum Erfolg. Eine Möglichkeit dafür ist natürlich am nächsten Fliegerstammtisch über alle Erlebnisse zu berichten. Das ist ein guter Anfang, allerdings ein recht unstrukturierter.
Wie kann also share your experience viel strukturierter und damit auch erfolgreicher gestaltet werden? Mit einem Reporting System zum Beispiel. Seit Jahrzehnten der Eckpfeiler der etablierten Sicherheitssysteme in den Airlines. Und damit meinen wir jetzt nicht das “mandatory occurrence reporting” der Behörden. Diese Daten sind natürlich auch wichtig und dürfen auch im vereinseigenen Reporting nicht fehlen, aber sie bilden auch wieder nur den Eisberg oberhalb der Wasseroberfläche ab. Wir wollen aber tiefer schauen.
Denn je mehr Meldungen eingehen, desto mehr Daten stehen zur Verfügung und desto mehr Rückschlüsse über mögliche Verbindungen und Verkettungen sind denkbar. Das Ziel des Reporting geht über das reine statische Wissen hinaus. Es soll mit diesem Wissen pro-aktiv daran gearbeitet werden, ähnliche Zwischenfälle für die Zukunft zu verhindern. Es soll aber auch vorausschauend (predictive) die mögliche Fehlerkette identifiziert und somit verhindert werden. Allein durch das Vorhandensein von Daten können diese ausgewertet und Zusammenhänge dargestellt werden, die allein durch einfaches weitererzählen nicht möglich wären.
Dieser Spruch begleitet mich seit meiner ersten Flugstunde. Mein Fluglehrer hat ihn mir mit auf den Weg gegeben. Und er gilt insbesondere auch im Umkehrschluss. Ich kann noch so sehr etwas wollen. Wenn ich nicht weiss, wo ich bin, kann ich mich noch so bemühen, ich werde das Ziel nicht erreichen können, weil ich den Weg vom Ausgangspunkt dahin gar nicht definieren und planen kann.
Ich denke jeder Pilot, jeder Verein, jede Flugschule weiss, was er oder sie will. Wir wollen es alle. Einen sicheren Flugbetrieb, der uns viel Freude, aber keine Probleme oder gar Unfälle bereitet.
Mittels eines Reporting Systems können wir uns dieser Position zumindest stark annähern. Natürlich braucht es dafür Ressourcen. Mittel, Gelder und natürlich auch „manpower“, die in jedem Verein eher Mangelware ist. Aber deswegen darauf verzichten einen Mehrwert für die Sicherheit zu generieren? Können wir das riskieren?
Und Reporting ist kein Buch mit 7 Siegeln. Reporting ist kein Anschwärzen sondern eine fantastische Möglichkeit der ständigen Verbesserung. Und darum geht es doch. Wir wollen Schritt für Schritt immer besser, immer sicherer werden. Es braucht wenig um es erfolgreich zu gestalten und wirklich von den Vorteilen profitieren zu können:
Die Ressourcen, die aufgewendet werden müssen, sind ein berechtigtes Argument, jegliche Lösungen so klein wie möglich zu bauen. Unterm Strich muss sich aber jeder Verein, ja jedes einzelne Mitglied fragen, wie gross die Konsequenzen wären, wenn man diesen Aufwand nicht betreibt.
Wenn Du glaubst, dass Sicherheit teuer ist, versuch mal einen Unfall.
Und dabei reden wir nicht nur von den menschlichen Tragödien, die hinter so einem Unfall stehen.
Wenn nun nach der Landung der Flieger im Wissen abgestellt wird, dass ein technischer Defekt vorliegt oder z.B. Teile beschädigt sind und dies – aus welchen Gründen auch immer – nicht gemeldet wird, dann nimmt man in Kauf, dass der nachfolgende Fliegerkollege in ernsthafte Probleme gerät. Wir haben das mehrfach gesehen, bis hin zum später festgestellten Totalschaden. Die Rechtsprechung nennt das (grob) fahrlässig und so ein Verhalten hat dann auch juristische Folgen. Ein unter den Teppich kehren in der Hoffnung, dass es dann schon nicht auffällt ist also keine Option. Bewegen wir uns dagegen innerhalb der Grenzen des „Safety Managements“ und handeln korrekt nach diesen Vorgaben, sind wir alle auf der sicheren Seite. Denn Fehler passieren – immer und jedem. Daher gilt umso mehr Konfuzius` Weisheit: “Wer einen Fehler gemacht hat und nicht korrigiert, begeht einen zweiten.”
Es klingt nach viel Aufwand, aber holt Euch Hilfe. Ihr werdet am Ende feststellen, dass ein Safety Management, speziell dabei das Reporting System gar nicht so arbeitsintensiv ist, wie man anfangs denkt.