Safety KISS: Das eisberg prinzip

«Cockpit»-Online etabliert eine neue Serie und bietet den Leserinnen und Lesern einen zusätzlichen Mehrwert: Künftig werden in unregelmässigen Abständen Fach-Beiträge zum Thema «Flight Safety» publiziert. Davon profitieren Pilotinnen und Piloten der Leichtaviatik in der Praxis und erweitern Enthusiasten ihr theoretisches Wissen. Die beiden Profis Kerstin Mumenthaler und Tino Janke widmen sich aus persönlicher Überzeugung und mit leidenschaftlichem Eifer dem Thema «Flugsicherheit». Als erfahrene Linien-Piloten und Experten im Bereich Flugsicherheit transportieren sie das Wissen aus dem Airliner-Cockpit in die General Aviation. Eingängig, pointiert und mit dem Fokus auf die wirklich wichtigen Punkte. In diesem ersten Beitrag stellen sie sich bzw. ihren Safety-Blog vor und kombinieren dies mit einem ersten Safety-Thema unter dem Titel «Das Eisberg-Prinzip».

Warum haben wir unseren «Safety-Blog» KISS-Blog benannt? KISS ist in der Luftfahrt altbekannt: Keep it simple, stupid.

Und dabei geht es nicht darum, etwas Dummes zu tun. Ganz im Gegenteil! Ziel ist es, Themen und Begriffe auf kurze und übersichtliche Art und Weise zu erklären. Das KISS-Prinzip besagt, dass die meisten Systeme am besten funktionieren, wenn sie einfach gehalten und nicht verkompliziert werden. Daher sollte Einfachheit das zentrale Ziel sein und unnötige Komplexität vermieden werden!

Safety-Themen für jedermann

Zurück geht das Akronym KISS auf den Lockheed Martin Ingenieur Clarence «Kelly» Johnson. Johnson entwarf Dinge so, dass sie von jedem gewöhnlichen Mechaniker unter Einsatzbedingungen mit einer begrenzten Anzahl von Werkzeugen repariert werden konnten. Das Prinzip war so genial wie einfach! Es stellte sicher, dass jede Konstruktion vom späteren Anwender auch wirklich genutzt werden konnte.

Beherzigen wir diesen Grundsatz auch bei der Einführung von Safety Management Systemen, steigen die Chancen, erfolgreich zu sein. Indem wir hoch komplexe Dinge weitestgehend vereinfachen, werden wir sie verstehen und können diese letztendlich auch in der – sehr fordernden – dritten Dimension beherzigen. Denn wie schon (angeblich) Albert Einstein sagte: «Wenn man etwas nicht einfach erklären kann, hat man es nicht verstanden»

Safety-Themen nach dem KISS-Prinzip verlieren ihre Komplexität und werden somit zu Safety-Themen für «jedermann zu jederzeit». Machen wir Flugsicherheit Schritt für Schritt verständlich! Oder in anderen Worten: KISS: Keep it simple. safe!

Das Eisberg-Prinzip

Wir alle wissen, dass nicht die sichtbaren Ausläufer unter der Wasseroberfläche eines Eisberges die Titanic innerhalb kürzester Zeit zum sinken gebracht haben. Es waren die unsichtbaren und die Titanic galt als unsinkbar!

Was hat das mit der Flugsicherheit zu tun?

Wir wissen, der sichtbare Teil von Störungen oder Unfällen macht nur die Spitze des Eisbergs aus.

Es ist aber der Teil unter der Wasseroberfläche, der viel grösser ist und den wir versuchen müssen zu beeinflussen – zu umschiffen. Und je tiefer unter der Wasseroberfläche, desto dunkler ist es. Man muss also genauer hinschauen bzw. besser ausleuchten, um einen drohenden Unfall zu erkennen und die lauernden Gefahren in unser Bewusstsein zu verankern.

15'000 Unachtsamkeiten, nur 3000 mal wahrgenommen – im besten Fall!

Klingt schwierig – ist aber einfach. Denn die Zahl der Möglichkeiten ist schier unendlich! Unter dem Wasser sind nicht nur die «Beinahe Unfälle» verborgen, sondern vor Allem all die kleinen Fehler, unsicheren Handlungen und die «Uuups, was war denn das?!»-Momente. Wir reden hier gleichzeitig auch von der Fehlerpyramide. Die Zahlen variieren, doch man geht heute davon aus, dass auf etwa 10'000 bis 15'000 dieser kleinen Fehler ein Unfall folgt.

Schaffen wir es, diese Zahl zu minimieren, reduzieren wir gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit, einen gröberen Fehler an die Wasseroberfläche zu lassen. Aus einer Unachtsamkeit einen Unfall entstehen zu lassen! Wie unbedeutend diese anfänglichen Fehler sein können, wird damit untermauert, dass wir nur etwa 20% aller Fehler aktiv erleben. Das heisst, jedem Fehler, den wir (bei uns selbst, oder) bei unseren Fliegerkollegen beobachten, gehen ca. vier weitere Fehler voraus!

Gefahren kennen, Gefahren erkennen!

Was von all dem wusste der Beobachter auf der Titanic, der nach Eisbergen Ausschau halten sollte? Kannte er die Architektur eines Eisbergs? Und konnte er allein das alles überblicken? Mit dem Wissen von heute würde man nicht in Hochrisikogebieten mit voller Fahrt operieren und dabei lediglich einen Beobachter nominieren, der zu dem nur nach dem Sichtbaren sucht. Man würde alle verfügbaren Mittel sammeln, um nicht früher oder später an der Spitze des Eisbergs zu enden. Flugsicherheit geht uns ALLE an, arbeiten wir also auch ALLE daran, diese Schritt für Schritt zu verbessern. Nehmen wir ALLE die «Taucherlampen» und leuchten gemeinsam den Bereich unter dem Wasser aus.

Und da, wo es immer noch zu dunkel ist, nehmen wir die Fahrt raus!

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